Demokratie neu erfinden: Hä, warum hat die abgewirtschaftet?

Am Anfang meiner Präambeln präsentiere ich eine Behauptung, die natürlich irgendwie belegt werden muss.

Im wesentlichen beziehe mich auf die Entwicklung in Deutschland, um diese Behauptung zu belegen. Dabei wähle ich den sehr wohl konservativen Ansatz vom ursprünglichen Grundgesetz und den ursprünglichen Intentionen (als allen noch die Schrecken des Krieges bewusst waren) auszugehen. Als langgedienter Informatiker fährt man sowieso einen konservativen Ansatz: Never touch a running system! Problem ist nur, unsere Demokratie läuft nicht mehr so, wie von ihren Gründungsvätern gedacht war. Wobei andere hier gegenteiliger Meinung sein dürften, nur behalte ich mir vor, dies dann nicht mehr Demokratie zu nennen (auch wenn die alten Griechen hier aufstöhnen und sagen „Wie ? Ohne unsere Sklaven?“).

Es geht um die parlamentarische Demokratie. Ein Glaube unserer Gründungsväter war wohl, wenn ich es richtig interpretiere, dass man eine parlamentarische Demokratie durch Gewaltenteilung und Kontrollorgane im Zaum halten kann. Wobei ihnen sicherlich noch sehr klar war, was Macht, Populismus und Gesetze alles anstellen können. Wir erinnern uns, die Vernichtung der Juden unter Hitler erfolgte nach geltendem Recht und Gesetz.

Eines der Opfer unseres ehemaligen Grundgesetzes war die populistisch behauptete Friedfertigkeit. Nie wieder Krieg, hiess es kurz von jenen, die noch wussten, was es bedeutet. Eine eigene Armee war eigentlich nicht vorgesehen. Genug Mütter hatten gerade eben ihre Männer und Söhne geopfert. Selbst Franz Josef Strauss beteuerte in jungen Jahren kurz nach dem Krieg „Jedem möge die Hand abfallen, der noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt“. Aber das war in der Zeit, in der Persilscheine äussert wichtig waren (Gell, Herr Filbinger?). Derselbe Franz Josef Strauss, der dann den Aufbau einer Bundeswehr unterstützte. Derselbe, der sich mit der Starfighter-Affäre eine goldene Nase verdient hat. Und wer hat sie damals gehört, die Rufer, die sagten „Wehret den Anfängen!“?

Nicht vergessen ist auch die Niederschlagung des Generalstreiks 1948. Und das daraufhin folgende Quasi-Verbot von Generalstreiks in der BRD durch einen Gerichtsentscheid von 1955. Ein elementares Recht, dass nur Deutschen nach dem Krieg vorenthalten wurde, ganz im Gegenteil zu Frankreich. Schon in ihren Wurzeln wurde diese deutsche parlamentarische Demokratie also mit einem Defizit ausgestattet.

Fangen wir bei den Wurzeln an. Volksbegehren waren von Anfang an ausgeschlossen. Volksentscheide nur durch Grundgesetzänderung möglich.

Allerdings war schon von Anfang an eine Entsprechung des Widerstandsrechts, dass 1968 im Rahmen der Notstandsgesetze eingeführt wurde, vorgesehen (Punkt 10 in den unbestrittenen Hauptgedanken).

Dann kam die umstrittene Präambel, woraus ich (Originalfassung 1949) ein paar Zeilen zitieren möchte: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen …

Die Frage ist jetzt, ob der Frieden der Welt hier nur ein populistisches Füllwort ist oder ob man gewogen ist, dies ernst zu nehmen. Denn sicherlich kommen hier andere Attribute zuerst. Man möchte eine staatliche Einheit erzielen oder wahren, man möchte gleichberechtigt sein, man möchte gar Europa vereinen. Da nimmt sich der Frieden der Welt doch eher wie Beschwichtigung aus. Dennoch möchte ich, naiv wie ich bin, darauf bestehen, dass auch diese Worte wichtig und gleichberechtigt sind. Schliesslich sollte die Präambel ja dazu dienen, klar zu machen, welches die wichtigsten Punkte dieses Grundgesetzes sind, oder irre ich da?

Doch gehen wir noch etwas tiefer. „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ hiess es. Wir könnten nun über Gott diskutieren, aber das überlasse ich gern anderen. Diskutieren wir über Verantwortung vor den Menschen. Wie steht es damit bestellt?

Erfüllt eine Regierung ihre Verantwortung vor den Menschen, die ein Leben lang gearbeitet und geschuftet haben und nun Pfandflaschen sammeln müssen, weil die Rente nicht reicht?

Erfüllt eine Regierung ihre Verantwortung vor den Menschen, wenn Flüchtlinge von Kriegen, an denen wir selbst beteiligt sind, im Mittelmeer abgedrängt und dem Tod durch Ertrinken überlassen werden? Es hiess nicht Volk! Es hiess Menschen!

Um nur zwei Beispiele zu nennen. Aber gehen wir weiter. Wie hiess es noch weiter? „von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren

Wahrt eine Regierung die nationale und staatliche Einheit, wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr öffnet?

Wahrt eine Regierung die nationale und staatliche Einheit, wenn sie sich an Kriegen beteiligt? Jeder Krieg birgt schliesslich das Risiko der Zerstörung der eigenen nationalen und staatlichen Einheit.

Das „gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa“ würde ich heute nicht erwähnen, wenn ein Grieche im Raum ist.

Aber kommen wir zum Punkt. Warum hat die parlamentarische Demokratie in dieser Form versagt? Selbst wenn wir einfach ignorieren, dass möglicherweise die Wurzeln schon schlecht gelegt waren.

Warum wurde eine Gewaltenteilung eingeführt? Warum waren demokratische Kontrollorgane überhaupt vorgesehen? Würde man sich so etwas ausdenken, wenn man Vertrauen in seine Politiker und Beamten hätte? Oder würde man sich so etwas ausdenken, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass man Politikern und Beamten nur bedingt vertrauen kann?

Allein die Tatsache, dass sie eingeführt wurde, spricht Bände. Genauso die Historie der Grundgesetzänderungen. Wir erinnern uns, die Änderung des Grundgesetzes wurde mit einer ziemlich hohen Hürde versehen. Sicher nicht aus dem Grund, weil man gedacht hat, dass Grundgesetz müsste sowieso jeden Tag geändert werden? Womit ich nicht bestreiten will, dass es gute Gründe geben kann, das Grundgesetz zu ändern. Aber so mal eben in kürzester Zeit ohne signifikante nationale und mediale Diskussion DREIZEHN Grundgesetzartikel? Sicher es gab Gesetze zur Grundgesetzänderungen, die auch mehrere Artikel auf einen Schlag geändert haben. Aber diesbezüglich erinnere ich mich noch an lebhafte Diskussionen in den Medien. Aber vielleicht täusche ich mich ja. Wer vertraut schon seinem Gehirn? 😉

Dies ist daher schon ein denkwürdiges Ereignis. Als die Väter des Grundgesetzes diese 3/4 Mehrheit eingebaut hatten, waren sie sich vielleicht sicher, dass es schon schwierig sein würde, auch nur einen Artikel des Grundgesetzes zu ändern. Sie waren sich vielleicht sicher, dass so etwas nicht ohne langwierige öffentliche Diskussion möglich wäre. Sie hätten besser aus der grossen Koalition vor Hitler lernen sollen. Sicher hatten sie nicht gedacht, dass jemand die Länder so finanziell austrocknen würde, dass der Bundesrat ein zahmer zahnloser Tiger ist, der bereitwillig durch den brennenden Reifen springt. Weil er einfach keine Wahl hat.

Die erste Übertragung von Kompetenzen fand schon 1952 statt. Im Lastenausgleich. In den folgenden Jahren wurden immer mehr Kompetenzen auf den Bund übertragen. So z.B. in den Föderalismusreformen I und II. Letztendlich entspricht dies einer Entmachtung des Bundesrats und widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung. Das mit der Europa-Politik hier noch ein weiteres Element hinzugekommen ist, dass die Länder so gut wie nicht kontrollieren können, während die Länder dadurch kontrolliert werden, ist eher ein Bonmot am Rande.

Schon die aktuelle Situation (grosse Koalition, Mehrheit im Bundestag verbunden mit Parteidisziplin, die nirgendwo im Grundgesetz vorgesehen war) zeigt, dass wir hier ein beträchtliches Gefahrenpotential haben, da der Bundesrat den Bundestag und dessen Gesetze nicht mehr ausbremsen kann, somit seine Kontrollfunktion nicht mehr erfüllen kann.

Dass die Verhandlungen auch noch hinter verschlossenen Türen geführt wurden, ist ein anderer Punkt, der einer parlamentarischen Demokratie nicht würdig ist. Die Änderung des Grundgesetzes UND die dazugehörige DEBATTEN im Bundestag sind zwingend, wenn man noch einen Funken Demokratie im Leib hat. Es kann also konstatiert werden, dass der Bundesrat als Kontrolle des Bundestags seine Funktion nur noch eingeschränkt, wenn überhaupt, ausführen kann.

Schauen wir uns als nächstes Untersuchungsausschüsse an, die ihrem Zweck nach dazu dienen sollen, Aufklärung über Missstände in Verwaltung und Regierung zu erzielen. Ich will mich gar nicht mit der Liste der gescheiterten Untersuchungsausschüsse seit 1949 aufhalten, sei es Starfighter, sei es Barschel oder was auch immer. Jeder möge selbst einen Blick auf die aktuellen Untersuchungsausschüsse zu NSA, NSU und weitere werfen. Wer mir erklären kann, was diese Ausschüsse ans Tageslicht gebracht haben (man hat eher den Eindruck, hier werden Daten vergraben), dem gebe ich gern ein Bier aus.

Und wo der Untersuchungsausschuss damals geblieben ist, als Schröder sich am völkerrechtswidrigen Krieg im Kosovo beteiligt hat, frage ich mich immer noch? Es scheint also mehr als wahrscheinlich, dass die Erfolgschancen eines Untersuchungsausschusses zu gering sind um tatsächlich die vorgesehene Kontrollfunktion auszuüben.

Bezüglich der Judikative und Exekutive ist zu konstatieren, dass seinerzeit, als Schröder, wie er später selbst freimütig zugab, sich an einem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligte, mehrere tausend Menschen Anzeige erstatteten. Alle erhielten ein Standardschreiben, dass mehr oder weniger besagte, es gäbe keinen Grund zur Besorgnis und alles wäre Rechtens. Kann man also schon in diesem Falle, 1998, wirklich noch von einer funktionierenden Judikative und Exekutive ausgehen? Hätte es hier nicht Ermittlungen und Untersuchungsausschüsse geben müssen? Gleiches Spiel bei Merkel und Syrien. Weil Frankreich durch ein Bombenattentat in Paris Syrien verantwortlich macht, ist Deutschland gezwungen, bei Syrien ein bisschen mitzumischen? Was für eine Logik ist das denn?

Das Versagen von Judikative und Exekutive wird ebenso über die Untersuchungsausschüsse klar. Das hier keine Transparenz möglich ist, ist ein Fakt, der eigentlich so nicht vorgesehen war.

Ohne also überhaupt in die Diskussion einzusteigen, wie und ob den Artikeln des Grundgesetzes wirklich genüge getan wird, kann man schon feststellen, dass die Pfeiler dieser Demokratie an verschiedenen Stellen von Fäulnis befallen sind und ihre Funktion nur noch eingeschränkt, wenn überhaupt wahrnehmen können.

Das sich ein Ecclestone von einem bayrischen Gericht freikaufen konnte sei hier nur zur Belustigung erwähnt. Viel heftiger war da aus meiner Sicht der Fall Mollath.

Nun bitte, erkläre mir einer, warum die parlamentarische Demokratie in dieser Form, die all dies geschaffen hat, geeignet dazu wäre, diese Missstände auch wieder zu beseitigen?

Das Modell dieser Demokratie konnte somit, wie ich finde, in relativ kurzer Zeit (menschheitsgeschichtlich gesehen) von Interessensgruppen ausgehebelt werden. Und dazu haben sie weniger als hundert Jahre gebraucht. Das ist verdammt schnell. Daher meine ich, dass dieses Modell abgewirtschaftet hat. Es ist zu schnell zu übernehmen und man verliert zu leicht die Kontrolle. Vielleicht auch noch ein Argument am Rande, das die steigende Unzufriedenheit der Bürger mit der Politik vielleicht ein kleines bisschen damit zusammenhängt, dass der Bürger meint, keinen relevanten Einfluss mehr zu haben.

Ich freue mich besonders über gegenteilige Meinungen.

 

 

Demokratie neu erfinden: Dienstpflicht

Um Demokratie unanfällig für Krisen zu machen, muss man sie einfach nur beweglicher gestalten, ein Trick, den Fische und Vögel schon länger beherrschen. Mancher mag sich vielleicht an die Muster der Stare über Rom erinnern, wenn sie sich dort sammeln.

Ein solides Muster, ein solider Stein bietet automatisch genug Angriffsfläche. Ein bewegliches Ziel aus vielen kleinen Einheiten ist dagegen sehr schwer zu fassen. Um diese Beweglichkeit zu erzeugen, könnte es hilfreich oder sinnvoll sein, die Besetzung der jeweiligen Parlamente nicht nur dem Roulettespiel der Wahl anzuvertrauen, sondern hier einen Schritt weiter zu gehen. Die Hälfte für das jeweilige Parlament wird per Los bestimmt. Dieses Los, dass sich an Fähigkeiten und Status (alt, jung etc.) orientiert, sorgt dafür das man wirklich einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung erhält, der dem Teil der Bevölkerung gegenüber steht, der bestimmte Ideen und Konzepte hat.

Und sicher, hier ist langfristig ein Feld für Statistikmanipulation gegeben, dem entgegengewirkt werden muss. Ich denke, so etwas lässt sich in einer Verfassung regeln.

Die Angst, die manchmal geschürt wird, dass ja die Politiker viel besser wüssten als jeder andere, was gut für uns ist, wird konterkariert durch die Anzahl der Berater, die anscheinend jeder Politiker braucht. Wobei noch nicht mal die Ergebnisse für sich sprechen. Es ist, um es simpel zu sagen, elitäres Gehabe, mehr nicht.

Und wenn der Schuster von nebenan einen Berater braucht? So what? Wäre jetzt keine Verschlechterung. Obwohl ich bezweifle, dass der Schuster von nebenan einen Berater braucht. Der redet notfalls mit den Leuten. Wie sonst auch.

Demokratie neu erfinden: Begrenzte Amtszeit

Demokratie muss LANGSAM sein, dass ist kein Fehler, das ist Bedingung!

Macht korrumpiert, das ist auch normal, wir müssen nur bereit sein, es uns einzugestehen. Deswegen und nur deswegen darf man niemanden zulange der Macht aussetzen. Aus mitmenschlicher Verantwortung. Und erst recht nicht darf Macht zum Selbstzweck verkommen.

Unsere aktuell beobachtbare Situation ist daher einfach nur ein Suchtverhalten, dass die Politiker hier zeigen. Wir alle sind doch letztendlich nur Menschen, die eben unter anderem auch zur Sucht neigen und sei es nur die Putzsucht oder die Hebung des Selbstwertgefühls durch Macht.

Warum also nicht die Amtszeit absolut begrenzen? Sie eher als Dienstzeit ansehen? Dienst am Volk, war das nicht mal dafür gedacht?

Ich höre schon das Gejammer: Aber in dieser kurzen Zeit, da kann man doch gar nichts machen. Da hat man sich vielleicht gerade erst eingearbeitet!

Ja und? Das ist doch heute im Berufsleben normal und in der Politik ebenso. Kaum hat man ein Thema durchdrungen, wird es schon von einem anderen verdrängt.In der IT hat man z.B. nur sehr wenig Zeit um Probleme zu beheben, mit denen man noch nie vorher konfrontiert wurde und bei denen man meist noch nicht mal den Fehler programmiert hat. Schlechthin also keine Ahnung hat und trotzdem eine Lösung finden muss. Oft in einem sehr engen Zeitrahmen. Kommunikation ist hier ein Punkt der oft weiterhilft. Oder googlen. 😉

Und dann besteht ja immer noch die Möglichkeit, dass man sein Wissen teilt mit den derzeit Amtierenden (nein, dafür gibt es keinen Lohn, Wissen ist Allgemeingut), falls man seine Dienstzeit rum hat.

Politik, sollte das nicht einfach die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sein?

Wo steht geschrieben, dass man dazu professionell Ausgebildete braucht, die nichts anderes können und für miserable Ergebnisse auch noch fürstlich entlohnt werden wollen? Ich meine, sollten nicht die Apologeten des freien Marktes, die Befürworter von Angebot und Nachfrage, welches ja, wie man uns sagt, die Qualität automatisch positiv reguliert, sollte man sie also nicht an jenen Ellen messen, die sie allzubereit an Andere anlegen?