Ein Diskussionsbeitrag über die Zukunft menschlicher Zivilisation
Zusammenfassung
- Mensch
- Du bist verantwortlich und das Gastrecht ist „heilig“
- Die Ohnmacht des Volkes ist die Macht der Eliten
- Wie ich dir, so du mir
- Struktur
- Kein Anrecht auf Besitz
- So einfach wie möglich
- Vielfalt
Einleitung
Dies ist nur ein Manuskript, ein Entwurf. Sinn ist es, dass die menschliche Gemeinschaft diesen Entwurf erbarmunglos analysiert, diskutiert, zerfleddert und, wenn möglich, verbessert.
Wahrscheinlich bin ich auch der Hybris schuldig, dass ich es wage oder erwäge, meine Gedanken als Leitbild für eine mögliche Zivilisation zu sehen. Eher mit Sicherheit. Aber ich werde niemanden auf das Schafott führen, nur weil er meine Gedanken nicht teilt. Ich werde jedes Leben weiterhin als einzigartig ansehen, in welcher Form es auch zu Tage treten mag. Ob es mir behagt oder nicht.
Und natürlich werde ich gemäss meinem Naturell und meiner Konditionierung reagieren. Was weder schön, noch sinnvoll, noch hollywoodreif ist. Ich bin Mensch, ich lerne und manchmal weigere ich mich zu lernen. War doch so schön hier und so.
Auch wenn ich meine Konditionierung erkenne, ist die Handlung meist schon Geschichte, wie heisst es Nachher ist man immer schlauer.
Erkenntnisse aus Diskussionen
Hatte gerade ein Kneipengespräch mit einem jungen gut informierten Menschen, der mich auf den Unterschied zwischen Besitz und Eigentum hinwies. Marx hatte nie ein Problem mit Besitz, mit Eigentum durchaus.
Mein erster Impuls war: Oh Mann, wie konnte ich das nur verwechseln? Was bin ich für ein Idiot!
Blöd nur, ich habe es nicht verwechselt. Denn das Recht auf Besitz führt zum Recht auf Eigentum. Und ich möchte das Problem an der Wurzel packen. Besitz ist die Implementierung des Rechts auf Aneignung ohne Kompensation. Aneignung ist notwendig und korrekt, aber sie bedeutet auch Kompensation. Ausser man deklariert Besitz. Besitz ist ein Zustand, Aneignung eine Handlung.
Und ich bin mir bewusst, dass Reiche, Imperien, you name it, auf Gedanken und Blut gegründet, einen normalen Zyklus haben, den man beschleunigen aber nicht durchbrechen kann.
Es ist nicht die Frage, was jetzt möglich ist. Es ist die Frage, was möglich wäre und wofür es sich lohnen würde sein Leben produktiv einzusetzen (nicht als Kanonenfutter)?
Natürlich berührt das auch Glaubensfragen. Denn Religionen waren, aus meiner Sicht, nichts anderes als Versuche Zivilisation zu strukturieren und ermöglichen. Das sie korrumpiert wurden, wie alle ausgedachten Herrschafts- und Kontrollsysteme, ist nicht die Frage. Eher, welche Erkenntnisse sind diesen Religionen gemein.
Eine Regel haben viele gemein: Was du nicht willst, dass man dir tu, dass füg auch keinem anderen zu.
In der Urform. Die Christen haben dann „Tue anderen das was dir getan werden soll“ daraus gemacht, Kant hat sich bemüssigt, Gesetz als eine statische unvermeidliche Institution anzusehen, die man referenzieren kann, aber im Kern das Gleiche gesagt.
Ach ja, nein ich brauche weder Marx, noch Morus, noch einen Titel um mir Gedanken um die Welt von morgen zu machen. Ich habe Töchter und Enkel. Das ist für mich Grund genug.
Annahmen
Weder ist Demokratie die geeignetste Form der politischen Organisation von menschlichen Gemeinschaften, noch ist „parlamentarische Demokratie“ eine Demokratie. Siehe Hybris und Nemesis von Mausfeld.
Alle Versuche eine Ordnungsstruktur und verbindliche Regeln zu errichten, sind als das anzusehen, was sie sind: Die Errichtung von Machtstrukturen, die anderen vorschreiben, was richtig und was falsch ist. Und zwar ohne im Besitz einer allumfassenden Wahrheit und Kenntnis zu sein. Siehe Mobilität ohne Regeln.
Verantwortung ist weder teilbar noch delegierbar. Wenn Menschen in meinem Namen und Auftrag sprechen oder handeln, bin ich verantwortlich, für alles, was in meinem Namen geschieht. Wenn ich die Verantwortung für Menschen (z.B. Kinder) übernehme, ist alles was geschieht meine Verantwortung. Selbst wenn ich es nicht beabsichtigt habe, was ja nur bedeutet, ich habe die Sache nicht bis zum Ende gedacht. Siehe die Geschichte vom Baron und Oma/Tiffany Weh von Terry Pratchett (Hinweis: Man muss das Buch lesen, nicht die Zusammenfassungen).
Der Mensch verfügt über eine Tötungshemmung, die ihm im Militär abtrainiert werden muss, wie auch über einen inneren Kompass für etwas, dass man so leichtfertig „Gerechtigkeit“ nennt. Dazu sind weder Erziehung noch Bildung notwendig. Natürlich gibt es Ausnahmen. Und ja, man kann sie zum Standard erziehen.
Wie auch andere Lebewesen, die von geborgter Energie leben, besitzt der Mensch ein sehr feines Gespür dafür, wenn jemand sich mehr nimmt, als ihm zusteht. Viele Psychologen haben sich an der Bestimmung der Universalien versucht, siehe Donald E. Brown, wobei oft nicht klar wird, in wie weit bestimmte Eigenschaften nicht doch auf Ähnlichkeiten in Kultur und Glauben zurückzuführen sind. Insofern ist das „feine Gespür“ eine Annahme und Vermutung von mir, die ich auf meine Erfahrungen mit Säuglingen und Kleinkindern zurückführe. Dies schliesst auch die Möglichkeit eines persönlichen Bias ein.
Der Mensch manipuliert und ist manipulierbar. Er unterscheidet sich in diesem Punkte nicht von anderen Lebewesen. Wer schon mal bewusst gesehen hat, wie Efeu einen Baum erwürgt, während Misteln ihn aussagen oder wie eine Pflanze anderen Pflanzen das Licht wegnimmt, der weiss was ich meine. Siehe auch Rupert Lay zu Manipulation (interessanterweise hat das Buch, das ich habe, noch den Titel Manipulation durch Wissenschaft und Sprache, Wissenschaft scheint mittlerweile entfernt worden zu sein).
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Als Einzelwesen ist er schwach und verwundbar. Ohne Gemeinschaft ist der Mensch nicht überlebensfähig, auch wenn es Ausnahmen wie Eremiten gab. Und damit meine ich den Menschen nackt, so wie er geboren wurde, nicht den verwöhnten Menschen westlicher Prägung mit all den Spielzeugen, die nur eine Gemeinschaft erschaffen konnte.
Politik, abgeleitet vom griechischen polis (Stadt, also alles was die Stadt betrifft), ist Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Nicht mehr, nicht weniger.
Natürlich kann man diesen Begriff überladen, definieren, dass Politik nur Spezialisten, also Eliten gehört, und kein anderer nur annähernd eine Ahnung davon hat. Das ist nur einer der Vielfrontenangriffe der derzeitigen Eliten. Nie vergessen, die sind nicht blöd, sonst hätten sie nicht so lange überlebt. Die Verführungskraft der Nach-Riefenstahl-Ära ist nicht zu unterschätzen.
Das Problem mit Religionen ist, tut mir leid, wir brauchen sie. Ob es uns gefällt oder nicht. Da wir nicht wissen, nicht wissen können, auch wenn wir unsere Sinne technisch erweitern, was die tatsächliche Realität ist, hier, jetzt, im Moment, nur eine Ahnung davon haben und manchmal richtig und manchmal fast falsch (nicht tödlich) liegen, bleibt uns nichts anderes als glauben. Glauben, dass es so oder so ist. Und unsere Seele und unser Leben diesem Glauben anzuvertrauen, auch wenn es blöd ausgeht. Das Gemeine ist, du kannst niemanden fragen, der gestorben ist.
Wenn wir also Religionen, wie Kapitalismus (Glaube an Profit und Arbeit), egal in welchem Gewand sie erscheinen, nicht los werden können und unsere vielen Versuche der Ausrottung gescheitert sind, warum es nicht einmal mit einer Symbiose probieren? Religionen sind so alt, dass sie viele elementare menschliche Weisheiten transportiert haben, auch wenn sie sie nicht mehr leben, sondern sie als Reliquien verehren. Warum sich nicht trauen, einmal konservativ (bewahrend) zu sein, im Wortsinn, nicht wie ein reaktionärer Revolverheld, der seine Privilegien verteidigt, wenn nötig über Leichen gehend?
Ganz wichtig, deshalb zum Schluss, dies ist nur meine Imagination einer Form von menschlicher Gesellschaft, die ich als würdig für den Namen Zivilisation halten würde. Eine Utopie, klar, ich glaube, ich habe darauf hingewiesen. Es ist kein du musst so oder so sein. Es ist eine Möglichkeit, die gedacht werden kann. Falls sie nicht missbraucht wird (was mehr als wahrscheinlich ist) hoffe ich, dass sie zum Denken anregt. Zum Finden neuer Lösungen für neue Probleme mit den alten, lernresistenten, Primaten die sich anmassen, sich Mensch zu nennen. Ich bemühe mich immer noch und werde noch nicht einmal im Ansatz dem gerecht, was ich einen Menschen und Zivilisation bezeichnen würde. Deswegen Utopie. Klar, oder?
Präambel
Verantwortung ist unteilbar, wie das Gast- und Gastgeberrecht.
Als lebendes Wesen hat man mit dem Beginn des Lebens Verantwortung, ob man dies will oder nicht. Gegenüber den Eltern die einem Leben ermöglicht haben, gegenüber allen „Lehrern“, selbst wenn einem die Lektionen nicht gefallen haben, gegenüber der Gemeinschaft, die Leben überhaupt erst ermöglicht, gegenüber seinen Taten oder seiner Untätigkeit. Kindheit ist ein Privileg erarbeitet von einer Zivilisationsgemeinschaft, bei der Fehler nicht sofort mit dem Tod bestraft werden.
Es ist ein künstlich geschaffener Freiraum, der sicher willkommen ist, aber auf den es kein Recht gibt. Das Recht ergibt sich erst, wenn man selbst dazu beiträgt, diesen Freiraum zu gewährleisten und ihn nicht länger benötigt.
Sicher ist es möglich, dass einem andere helfen, eine schwere Bürde zu tragen. Wie der Volksmund sagt Geteiltes Leid ist halbes Leid. Aber dies bedeutet nur eine um so grössere Verantwortung. Man ist nun auch verantwortlich für jene, die einem helfen oder geholfen haben, eine grosse Last zu schultern. Und es gibt keine Möglichkeit, die eigene Verantwortung für die Situation auf andere abzuwälzen. Ja, klar, wird ständig versucht und manchmal funktioniert es auch. Dank der naiven Hilfsbereitschaft wertvoller Menschen die so verdorben werden und es noch nicht einmal ahnen. Das Leben ist im Allgemeinen tragisch und manchmal sogar komisch.
Eine der ersten Errungenschaften auf dem Weg zur Zivilisation war die Definition des Gastrechts. Ich bewirte einen Gast, ich stelle im eine Unterkunft für den Moment und ich akzeptiere, dass der Gast nicht meiner Meinung sein muss. Aber wenn ich ihn nicht mag, bitte ich ihn am nächsten Tag weiterzuziehen. Und erwarte zu Recht, dass meine Gastfreundschaft höflich akzeptiert wird, wie auch die Aufforderung weiterzuziehen. Das Überstrapazieren von Gastfreundschaft ist ein erstes Warnzeichen, dass jene Person sich als etwas Besseres, als Elite, fühlt und so behandelt werden möchte. Warnzeichen bedeutet dass es auch andere Gründe geben mag. Das ist in der Verantwortung des Gastgebers, ob etwas vertieft wird und wie weit.
Gastrecht impliziert auch Gastgeberrecht. Sein Ort, seine Regeln. Es hindert einen niemand weiterzuziehen.
Die Macht jedweder Elite begründet sich auf der Ohnmacht des Volkes.
Es kann keine Elite ohne „Bodensatz“ geben. Es bedarf eines Volkes damit überhaupt eine Elite etabliert werden kann. Es ist, leider, die Aufgabe des Volkes Eliten zu kontrollieren oder besser noch, gar nicht erst zuzulassen. Was aber in das Dilemma Quis custodiet ipsos custodes (Wer bewacht die Wächter) führt und gleichzeitig eine Elite installiert. Die Elite die entscheidet was Elite ist.
Zugleich führt dies in ultima ratio, also letztendlich, dazu, dass kein Volk von den Sünden ihrer Eliten freigesprochen werden kann. Um die Tradition Volkesmund tut Wahrheit kund zu ehren, heisst das einfach gesagt: Mitgefangen, mitgehangen.
Wer Eliten durch seine gewählte Ohnmacht (ist doch umsonst, was kann da schon passieren, interessiert mich nicht …) ermächtigt, ist mitverantwortlich für die Taten die begangen wurden.
Was du nicht willst, das man dir tu, dass füg auch keinem anderen zu.
Diese „goldene“ Regel wird sowohl in vielen Religionen, wie auch im Kategorischen Imperativ von Kant verwendet. Es ist relativ unwahrscheinlich das eine solch alte Regel falsch ist. Obwohl sie schwer einzuhalten ist. Oft scheint die Vorstellungskraft begrenzt was die eigene Existenz und Folgen betrifft.
Die Christen haben das wagemutig um die Instant-Karma-Version (passiert nur sehr selten) erweitert, indem sie sagten, tue anderen das was dir getan werden soll. Prognosen in die Zukunft und so. Gut gemeint, sicherlich. Aber auch vermessen auf eine bestimmte Art und Weise, Erwartungen weckend, die möglicherweise nicht erfüllt werden, was meist zu Ärger, Zorn und Rachsucht führt.
Kant meinte dagegen, das Gesetz an sich wäre ultima ratio, der Weisheit letzter Schluss. Mit Gesetzen und Bürokratie bin ich im Hader. Es geht mir wie den kleinen freien Männern bei Terry Pratchett. Gut, wenn man eine Kröte hat, die mal Anwalt war. Aber nicht hilfreich. Ein Versuch zu strukturieren. Ja. Ohne Erfahrungen hat man nichts. Insofern sehe ich geschriebenes Gesetz als Zwischenstufe. Geschrieben bedeutet ja schon den Ausschluss aller die nicht lesen und schreiben können, sofern ich nicht sicherstelle, dass alle dies können. Alle! Ja, es gibt Regeln, abhängig von Gemeinschaft, Situation und Lokation. Doch keiner muss dies als schriftliches Gesetz formulieren um Macht über andere zu erringen. Insbesondere jene die nicht gut lesen und entsprechend verstehen können.
Entwurf
Es gibt kein Anrecht auf Besitz.
Der Mensch wird nackt geboren und nackt geht er wieder. Alles was über die Notwendigkeit des eigenen Lebens hinausgeht, kann nicht als Eigentum deklariert werden. Selbst die Kleidung kann ein Mensch nicht mitnehmen, wenn er vom Leben zum Tod wechselt. Es sind Leihgaben. Besitz ist ein Zustand, eine Leihgabe. Besitz bedeutet nicht Eigentum. Und Eigentum ist unmöglich, wenn es kein Recht auf Besitz gibt.
Aus diesem fehlenden Anrecht ergibt sich zwingend ein Friedensgebot, denn jede Gewaltanwendung ist nichts anderes als Machtausübung über eine andere Person und somit de facto eine nicht zulässige Inbesitznahme dieser Person.
Ebenso folgt daraus, dass es keine dauerhaften übergeordneten Organisationsstrukturen geben kann, da dies wieder eine Inbesitznahme der betroffenen Personen bedeutet. Menschen haben sich immer schon organisiert, auch ohne Herren. Kein Besitz bedeutet auch keine Herren. Temporär und extrem kurzfristig sind übergeordnete Strukturen vielleicht sinnvoll, auf Dauer immer schädlich für den Menschen, Gemeinschaften und ein friedliches Miteinander.
Weiterhin bedingt dies die Maxime Arbeit ist ein Gemeinschaftswert. Nebenbei löst es das Produktionsmittelproblem von Marx. Da niemand Produktionsmittel besitzen kann, kann niemand diese Produktionsmittel zur Knechtung anderer einsetzen oder „Mehrwert“ abschöpfen.
Auch die Eigenschaft von Geld ist davon betroffen: Geld ist kein Wert an sich. Da Geld nicht in Besitz genommen werden kann, hat es nur eine Tauschfunktion. Zins und Zinseszins machen nur Sinn, wenn das Geld als Besitz und Wert an sich betrachtet werden kann. Zwangsläufig muss Tauschwährung an Wert verlieren, ebenso wie eine Ware über die Zeit verdirbt oder funktionsuntüchtig wird.
Jede temporäre Aneignung wird dadurch zu einem Gemeinschaftsthema. Die Verfügungsgewalt über einen Acker oder ein Werkzeug ist ein temporäres Mandat der Gemeinschaft, die ihr Placet dazu gibt und bedingt einen entsprechenden verantwortungsvollen Umgang. Ebenso ist es im Interesse der Gemeinschaft jenen die entsprechende Verfügungsgewalt zu geben, die aktuell die beste Eignung und somit den grössten Nutzen für die Gemeinschaft haben.
Individualität ist kein Besitz sondern eine Eigenschaft. In diesem Sinne begründet sie kein Vorrangrecht gegenüber anderen. Implizit ergibt sich daraus so etwas wie Toleranz.
Letztendlich, aber nicht abschliessend, verbietet es sich damit auch im „Besitz“ der Wahrheit zu sein. Was durchaus der uns bekannten Realität entspricht. Wir machen mehr oder weniger solide Annahmen, aber wir kennen die Wahrheit nicht. Wir wissen noch nicht einmal ob unsere „Erinnerungen“ korrekt oder Konfabulation sind.
Mache die Dinge so einfach wie möglich – nicht einfacher.
Besser als Einstein kann ich das nicht auf den Punkt bringen. Manches ist komplex, es zu vereinfachen wird dem nicht gerecht und stellt keine Lösung dar.
Daraus kann direkt abgeleitet werden, dass die jeweilige Gemeinschaftsgrösse so klein wie möglich sein sollte. Jede grössere Struktur führt zu zusätzlichen Verwaltungsaufwänden und unnötigem Energieverbrauch, sofern die Struktur permanent wird. Dinge werden unnötigerweise komplex gemacht, da sich Komplexität zwangsläufig aus zunehmender Grösse und den damit einhergehenden exponentiellen Möglichkeiten entwickelt.
Weitergedacht ergibt sich daraus auch das Subsidaritätsprinzip, welches besagt, dass eine Aufgabe jeweils von der kleinstmöglichen Einheit zu erledigen ist, die dazu in der Lage ist. Ebenso wie der Punkt, dass grössere Einheiten aufgelöst werden, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt haben, da sie die Komplexität erhöhen, wenn sie permanent vorhanden sind. Zudem ist die Gefahr des Machtmissbrauchs höher zu bewerten als der zu erwartende Nutzen. Ausserdem kollidiert es mit dem Grundsatz, dass es kein Anrecht auf Besitz gibt.
Was man vielleicht übersehen kann, ist der Umstand, dass damit bestimmte aktuelle „Berufe“ keine Rechtfertigung mehr haben. Wozu braucht es Juristen, wenn die Regeln für jeden verständlich sind? Wozu braucht es Politiker, die Geld kosten und die Komplexität erhöhen, heutzutage auch noch ohne Ahnung vom Thema, man kann ja einen „Spezialisten“ engagieren? Warum nicht gleich den Spezialisten nehmen? Warum überhaupt Spezialisten? Ist das Thema komplex genug?
Vielfalt statt Einfalt.
Was so griffig daherkommt ist vielleicht der schwierigste Punkt von allen. Daraus ergibt sich unmittelbar das Recht auf Leben. Für jedes Lebewesen, auch den fiesesten Virus. Das Primatenerbe lässt sich nicht verdrängen, also werden wir eine Mücke die uns angreift vielleicht töten bevor uns bewusst wird, was wir tun. Und auch selbst dann. Das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist, statt Ausrottung als Strategie zu verwenden, werden wir gezwungen sein Möglichkeiten der Symbiose und getrennter Lebensräume zu testen oder andere Strategien zu finden.
Ebenso führt dies zu der Erkenntnis: Es gibt keine Sicherheit. Militär wird damit ebenso obsolet wie Versicherungen. Eine Gemeinschaft ist immer auch gleichzeitig die Wehrgemeinschaft, wenn es notwendig wird. Es gibt tausende von Möglichkeiten eine Gefahr abzuwehren, ohne zur Keule oder zur Waffe greifen zu müssen. Siehe auch Sunzi, Kosten des Krieges.
Weiterhin bedeutet es, dass jede Gemeinschaft unterschiedliche Regeln des konkreten Zusammenlebens haben kann. Wie auch Lebewesen jeweils unterschiedliche Regeln haben. Und diese auch anpassen. Das ist quasi schon ein Zwang zu einem Mindestmass an Toleranz, weswegen ich diesen Punkt als schwierigsten betrachte.
Nachwort
Natürlich ist mir bewusst, dass dies alles im Moment Utopie ist. Und nicht möglich scheint. Orwell hätte es wahrscheinlich auch nicht für möglich gehalten, dass sich Menschen freiwillig der Überwachung ausliefern. Auch ist mir klar, dass diese drei Regeln sich nicht immer ergänzen sondern auch widersprechen können. Aus diesem Grund habe ich sie bewusst so geordnet. Vielleicht sollte man diese Ordnung aber auch ignorieren, da jeder Punkt für sich eine Berechtigung hat und die Abwägung zwischen den Gemeinschaften getroffen werden muss, die mit einem konkreten Fall beschäftigt sind. Wo Licht ist, ist auch Schatten und manchmal sogar eine prismatische Erscheinung (Regenbogen ist zu sehr politisch instrumentalisiert).
Wichtig erscheint mir der Punkt es auf drei allgemeinverständliche Regeln zu beschränken. Wer, ausser jene die von Priestern gedrillt wurden, kann aus dem Stegreif die zehn Gebote aufsagen? Drei schafft jeder, zumindest jeder, der in einer Beziehung zum Christentum aufgewachsen ist.
Schwieriger wird es bei der Frage der Anpassung. Die Regeln sollten einfach und verständlich sein. Es sollte nicht notwendig sein, dass jemand studieren muss, um die Regeln zu verstehen. Ausser die Weltbevölkerung ist insgesamt so gebildet, dass sie weiterhin die Regeln ohne fremde Hilfe versteht und anwenden kann. Ich halte nichts von Zusatzparagraphen, sind sie doch meist nur Einschränkungen im Sinne der Machtausübung. Selbst denken und handeln, statt nach Verkehrszeichen zu suchen und diese als Totem einzusetzen.
Es mag sein, dass es nach plakativen Sprüchen aussieht, die aus dem nächstbesten Bullshit-Bingo stammen. Vielleicht ist es auch so. Allerdings widerspricht jeder Punkt ganz gezielt dem gegenwärtigen Konsens darüber, wie die Welt zu sein hat. In jedem Punkt ist ein anarchistischer Teil enthalten, der es offen lässt, wie die jeweilige Gemeinschaft ihre Angelegenheiten regelt.
So mag eine Gemeinschaft Produktionsmittel verpachten, zuteilen, was auch immer. Kommunismus und Sozialismus sind auch nicht das Gelbe vom Ei, geschweige denn, dass ich wüsste, was jeweils richtig ist. Ich weiss nur, dass wir es seit ein paar tausend Jahren versuchen und bestimmte Konzepte weiterhin wiederholen, obwohl wir wissen könnten, dass es so nicht geht. Die „Indianer“ nannten das wohl ein totes Pferd reiten.
Insofern plädiere ich dafür neue Fehler zu machen und wenn möglich auch daraus zu lernen. Ebenso plädiere ich dafür, dass die Diskussionsteilnehmer kein gutes Haar an mir lassen und diese Utopie fachgerecht zerlegen und auf die Problemstellen aufmerksam machen. Mitlaufen und Hurra schreien halte ich nicht für eine Form der menschlichen Weiterentwicklung. Fehler machen, sie überleben und daraus lernen dagegen schon.
In diesem Sinne: Fröhliches Finger-in-die-Wunde-legen.